Ein Internierungslager für Juden
Das Fort Prinz Karl in Großmehring



Seit den 1880er-Jahren verließen viele Juden Osteuropa und versuchten in Westeuropa oder in USA oder Argentinien eine Bleibe zu finden. So kamen auch einige Juden, wegen ihrer Herkunft Ostjuden genannt, nach München. Da sie noch weniger beliebt waren als die Westjuden, versuchte man sie über die Grenze in ein osteuropäisches Land abzuschieben. Dies war der Beginn der modernen deutschen Abschiebepolitik [1].

Nicht nur in München, sondern auch anderswo in Deutschland wurde nach einer Lösung gegen die unwillkommenen Gäste gesucht. So waren Begriffe wie Internierungslager, Durchgangslager, Ausländersammellager oder auch Konzentrationslager in der Diskussion. Besonders wenig Toleranz gegen die illegal eingewanderten Juden brachte die bayerische Regierung unter Gustav von Kahr auf. Zunächst konnten sich die rund 1500 ostjüdischen Münchner gegen die Ausweisung wehren, wurden aber enteignet und krimineller Handlungen beschuldigt.[2] Schließlich fand man für die Abschiebehaft eine leer stehende Festung, das Fort Prinz Karl bei Ingolstadt. Das Fort liegt im Gemeindebereich Großmehring, ein paar wenige Meter vom kleinen Dorf Katharinenberg entfernt. Peter Ihrler, 2013
Das Lager ist nur wenige Meter von Dorf Katharinenberg entfernt.
Peter Ihrler, 2013     
In der Lagerordnung war ein Morgen- und Abendappell vorgesehen.
In den Festungsgräben war Freigang möglich.
Peter Ihrler, 2013
Festungsgräben und Zäune sollten
vor der Flucht abhalten.


Peter Ihrler, 2013
Harte Bedingungen.
Die Bedingungen in dem teils unterirdisch angelegten Fort waren schlecht. Kälte und Feuchtigkeit herrschten vor. In den Jahren 1920 bis Anfang 1924 wurden in der Regel nicht mehr als um die 100 Juden und "unerwünschte Ausländer" gleichzeitig interniert. In den letzten Jahren kamen auch mehr Verbrecher und Schwerverbrecher hinzu. Das Lager diente jedoch nicht wie die späteren Konzentrationslager zur Vernichtung der Juden und anderer Menschen durch Vergasung (z.B. Auschwitz) oder durch Arbeit (z.B. Buchenwald). Es gibt aber Quellen, dass Menschen dort geschlagen wurden, unter anderem als Strafe für missglückte Flucht- und Selbstmordversuche [3]. Aufgrund der harten Haftbedingungen wurden Menschen krank und es starben auch einige. Aus einem Brief der Landespolizei geht hervor, dass es keine Regelung zur Bezahlung von Krankenhausaufenthalten und Beerdigungen gab [4]. Über die Missstände im Lager wurde auch in der in- und ausländischen Presse berichtet und es wurde als "Konzentrationslager für Ausländer" bezeichnet [5]. Als während der Weimarer Republik die Wirtschaft immer stärker zu leiden begann und die Güter knapp wurden, war es für die Inhaftierten besonders hart. Die Polizei, die das Lager führte, wusste nicht mehr, wie sie die Häftlinge ernähren sollte und machte in einem Brief die Regierung in München auf die Zustände aufmerksam. Nicht aus menschenfreundlichen sondern aus finanziellen Gründen wurde das Lager 1924 wieder geschlossen.


Von Fort Prinz Karl wird in den aktuellen Quellen in einer eher positiven Form berichtet. Im Großmehringer Amtsblatt (einem monatlich erscheinenden Mitteilungsheft der Gemeindeverwaltung) wurde von Oktober 2011 bis März 2012 in sechs Ausgaben über die Geschichte der Forts berichtet, aber in den circa 18 Seiten kein einziges Wort über diese dunkle Zeit während der Weimarer Republik berichtet. Auch verlieren einige Online-Beschreibungen kein Wort über diese Zeit (http://www.grossmehring.de/index.php?id=1298,95, http://www.stbain.bayern.de/hochbau/projekte/fortprinzkarl.php, Stand 30.12.2013). Ebensowenig soll das jüdische Internierungslager während der Führungen, die dort gelegentlich abgehalten werden, erwähnt werden. Auch der Ingolstädter Historiker Straub schreibt 1995: "Ingolstadt scheint sich nie sonderlich für das Lager interessiert zu haben." [6] Überregionale Webseiten hingegen scheuen sich nicht, die dunkle Geschichte des Forts zu erwähnen (http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44560, http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/ausstell/ansich75.htm, http://www.hagalil.com/archiv/98/00/ingolstadt.htm, Stand 20.12.2013) Peter Ihrler, 2013
Informationstafel am Eingang. (größer)




Quellen:
[1]  www.initiative-gegen-abschiebehaft.de/geschichte-brd-ausfuehrlich.html (Stand 30.12.2013)
[2]  Macek, Ilse (Hrsg.): Ausgegrenzt - entrechtet - deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933 bis 1945. München: Volk Verlag, 2008, S. 50
[3]  Walter, Dirk: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik. Bonn: Dietz, 1999, S. 74f
[4]  Walter, Dirk: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik. Bonn:Dietz, 1999, S. 275
[5]  Straub, Theodor: Juden in Ingolstadt. Ingolstadt: Verlag Schanzer Journal 1988, S. 55


Peter Ihrler, 30.12.2013